Haus P., ‚Löwenburg’

Hannover-Herrenhausen

Eine im ausgehenden 19. Jahrhundert als Staffage in einem Park errichtete künstliche Ruine wird als Wohnhaus genutzt und damit in ihrem Bestand auch dauerhaft gesichert.

Das kleine Bauwerk wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts durch den jüdischen Bankier Moritz Simon (1837-1905) errichtet. Schon damals erschien eine künstliche Ruine wohl etwas aus der Zeit gefallen, hatten doch derartige romantische Inszenierungen ihre Hochzeit schon im 18. Jahrhundert. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Bauwerk als Gartenlokal genutzt und auch seither noch mehrfach verändert.

Mit dem inszenierten Verfall als Bildthema der Ruine stellen sich auch konservatorische Fragen in einer ungewohnten Form. Die neue und dauerhafte Nutzung eröffnet dabei die Chance, den fortschreitenden Verlust der Substanz aufzuhalten oder zumindest deutlich zu verlangsamen. Selbstverständlich soll aber der Eindruck einer ‚gebauten Ruine’ bewahrt werden. Daß damit eine ganze Reihe besonderer Lösungen im Detail notwendig wurde, liegt auf der Hand – ebenso, daß ein derartiges Haus auch für den Unterhalt einen engagierten Bauherrn braucht.

Schon im Bestand fiel der deutliche Unterschied zwischen der malerischen Anmutung der äußeren Gestalt und den geradezu pragmatisch behandelten Innenräumen ins Auge. Für die heutige Nutzung wird dieser Unterschied zum architektonischen Thema: Die klaren und lichten Innenräume stehen in einem eindrucksvollen Kontrast zu den rätselhaften Inkrustationen der Spolien in den Oberflächen der Fassaden und unterstreichen so das Künstliche dieser Ruinenarchitektur.

Die beiden ergänzenden Bauteile stützen diese Strategie. Die Strenge der Volumen und der Maßstab der Flächen und der Öffnungen machen die Ergänzungen als Hinzufügung unserer Zeit erkennbar; dennoch gelingt mit dem graubunten, rauh verfugten Ziegel des neu gefügten Mauerwerks eine recht selbstverständliche Einbindung in das bestehende, ja bereits zuvor mehrfach erweiterte Ensemble. Die Erweiterungen stehen damit für eine Wertschätzung der bestehenden Architektur und zugleich auch für einen eigenen architektonischen Anspruch im diesem historischen Zusammenhang.

Der Blick wird auf das Inszenierte, auf die Eigenschaft des Künstlichen der bestehenden Architektur gerichtet, ohne daß dabei die Gesamtwirkung des Ensembles in Frage gestellt würde.

 

Bauherr: privat
Direktauftrag
Ausbau einer künstlichen Ruine zu einem Wohnhaus
Mitarbeit: T. Richter, A. Bürgermeister
Tragwerk: Ingenieurbüro R. Jockwer GmbH, Berlin
Fotos: Bernd Hiepe, Berlin